23.05.2022

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte

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Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte.
Ich würde versuchen, das nächste Mal mehr Fehler zu machen.
Ich würde mich entspannen.
Ich würde lockerer sein.
Ich würde alberner sein, als ich es auf dieser Reise war.
Ich kenne nur sehr wenige Dinge, die ich ernst nehmen würde.
Ich würde weniger gesundheitsbewusst sein.
Ich würde mehr Chancen ergreifen.
Ich würde mehr verreisen.
Ich würde mehr Berge besteigen, in Flüssen schwimmen und mehr Sonnenuntergänge sehen.
Ich würde mehr Energie verbrauchen und mehr Eis essen, dafür weniger Bohnen.
Ich würde aktuelle Probleme haben und weniger imaginäre.

Sehen Sie, ich bin einer dieser Menschen, die vernünftig leben, Stunde für Stunde und Tag für Tag.
Oh, ich hatte meine Augenblicke. Und wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich mehr Augenblicke haben – tatsächlich möchte ich nichts anderes. Nur die Momente, einer nach dem anderen, anstatt immer gedanklich so viele Jahre vorauszueilen.
Ich war einer dieser Menschen, die nirgendwo ohne Thermometer, Wärmflasche, Regenmantel und Regenschirm hingehen.
Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich mehr herumkommen, viele Dinge tun und mit leichterem Gepäck reisen, als ich es getan habe.
Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich im Frühling eher anfangen, barfuß zu laufen und im Herbst später damit aufhören. Ich würde öfter die Schule schwänzen. Ich würde nicht so gute Noten schreiben, außer es geschieht durch Zufall. Ich würde mehr Karussell fahren. Ich würde mehr Gänseblümchen pflücken.
(Nadine Stair aus Louisville/Kentucky im Alter von 85 Jahren)

06.05.2022

Unbeschwert? Nicht ganz leicht!

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Die Sorglosigkeit der Kindheit verblasst im Laufe des Lebens. Leider! Einfach in den Tag hineinleben, immer in spielerischer Absicht, im gegenwärtigen Moment sein und eigentlich nur darüber nachdenken, was als Nächstes Spaß bringen könnte. Später in der Jugendzeit dieses Gefühl von „Mir kann doch sowieso nichts passieren“ – unverwundbar, unbesiegbar, ewig jung und stark.
Die meisten von uns machen im Laufe des Lebens die Erfahrung, dass wir leider nicht unbesiegbar, sondern im Gegenteil sehr verletzlich sind. Sei es durch das Schwinden der eigenen Kraft infolge des Älterwerdens oder aufgrund schmerzhafter Verluste durch den Tod geliebter Menschen.
Auch die aktuelle weltpolitische Lage oder die veränderten Lebensbedingungen aufgrund der Pandemie lassen wenig Raum für Unbeschwertheit.
Und doch versteckt sich die Sorglosigkeit der Kindheit irgendwo in uns. Sie ist noch da und es ist wichtig, die Momente der Leichtigkeit zumindest hin und wieder zu erspüren. Unbeschwertheit finden wir in der Gedankenlosigkeit – wenn wir für kurze Augenblicke den Verstand abstellen und mehr ins Spüren kommen. Das gelingt vielen Menschen besonders gut in der Natur.
Ein einzelnes Rotkehlchen sitzt im Baum und singt geradezu inbrünstig. Ein gelassen wirkender Käfer klettert unbeirrt durch die Grashalme. Zwei Eichhörnchen springen wie Artisten durch die Bäume, rasend schnell und unglaublich geschickt. Und eine dicke Hummel – man möchte meinen, ihr Körperbau sei zum Fliegen ungeeignet – torkelt fröhlich von Blüte zu Blüte.
Es scheint egal, was passiert in der Welt – die Natur macht einfach weiter. Und das lautstarke Zwitschern der Vögel am Morgen – manchmal wirkt es wie zum Trotz!

16.03.2022

Frieden

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Die Bedeutung von Frieden wird uns aktuell sehr bewusst. Ebenso die Wertschätzung, die wir diesem Zustand entgegenbringen sollten, weil er leider nicht selbstverständlich ist. Was genau ist Frieden und wie kann man ihn erreichen?
So viel ist klar: Frieden ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Mehr als ein Waffenstillstand und viel mehr als ein schwelender Konflikt, den wir als „kalten Krieg“ bezeichnen.
In der griechischen Mythologie steht die Göttin „Eirene“ für den Frieden. Sie ist Tochter des Zeus und Schwester von Eunomia und Dike. Eunomia verkörpert die gesetzliche Ordnung, wobei Dike für die Gerechtigkeit steht. Die Mythologie zeigt uns, dass Frieden nur möglich ist, wenn Recht und Ordnung herrschen.
In der römischen Mythologie hingegen verkörpert die Göttin Pax den Frieden. Sie war während der Herrschaft von Kaiser Augustus die Patronin für sein Programm „Pax Romana“. Frieden war das Ergebnis von Verhandlungen – besiegelt durch einen Vertrag.
Demzufolge kann Frieden nur entstehen, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen. Die verschiedenen Positionen müssen geklärt und eine Übereinkunft gefunden werden. Bestenfalls kann so ein Weg gefunden werden, mit dem alle gut leben können.
Was wir für die weltpolitische Lage erhoffen, können wir selbst jederzeit praktizieren und üben. Beginnen wir bei den kleinsten Zellen unserer Gesellschaft: Beziehungen, Freundschaften und das familiäre Miteinander. Wenn wir Konflikte im Gespräch lösen, aufeinander zugehen und Kompromisse finden, dann sorgen wir für Frieden.

09.03.2022

Frühling

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Wie soll mein Herz den Frühling überstehn,
wenn sonnentrunken wieder rings auf Erden
die Knospe schwillt in ahnungsvollem Werden
und tausend Wünsche durch die Täler gehn ...
Wie soll mein Herz den Frühling überstehn!

Den Frühling, den auch du so sehr geliebt,
wenn, wo ein Herz um deines fast vergangen,
zwei Augen leuchtend groß an dir gehangen,
ein Lippenpaar, das immer gibt und gibt.
Wie hat dein Herz den Frühling dann geliebt! -

Und wieder wird's von Tal zu Tale wehn,
dieselbe liebeselge Frühlingsfeier,
dann stehn die Birken keusch im Hochzeitsschleier,
und durch die Nächte wird ein Flüstern gehn -
Wie soll mein Herz den Frühling überstehn! 

(Ilse von Stach)

25.01.2022

Erinnern oder Vergessen?

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Der erste Kuss, Verliebtsein, die Hochzeit, die Geburt des Kindes, aber auch Schicksalsschläge, Verluste und Momente der Trauer – an die emotionalen Ereignisse im Leben erinnern wir uns besonders. 
Unsere Erinnerungen werden durch die Verknüpfung von Nervenzellen geschaffen. Jede einzelne Zelle verfügt über ungefähr 10.000 winzige Verästelungen, die Synapsen. Dort befinden sich die Speichereinheiten für Informationen.  
Unser Gedächtnis liebt Neues und Interessantes 
Wenn etwas unsere Aufmerksamkeit beansprucht hat, dann bleibt es in unserem Gedächtnis. Deswegen müssen wir uns konzentrieren, wenn wir beispielsweise Vokabeln lernen wollen. Das Gehirn speichert diese etwa 20 Minuten lang im Kurzzeitgedächtnis. Danach werden die neuronalen Verknüpfungen wieder gelöscht. Erst wenn wir die Vokabeln mehrfach wiederholen, geht die Information ins Langzeitgedächtnis über. Durch die Ausschüttung bestimmter Proteine werden die genutzten Synapsen dauerhaft verändert. 
Vergessen ist wichtig.
Unser Gehirn ist also ständig aktiv und damit beschäftigt, Informationen zu verarbeiten und abzuspeichern. Dabei muss es unentwegt aussortieren: Wenn ein Ereignis sich als belanglos herausstellt, vergessen wir es wieder. Das Vergessen wird häufig negativ bewertet, dabei fungiert es als wichtiger Filtermechanismus, damit das Gehirn nicht überlastet wird.
Auch wenn wir eine Information längere Zeit nicht abrufen, wird sie nach und nach verschwinden. Die neuronalen Verknüpfungen werden immer schwächer, bis sie irgendwann ganz getrennt werden. Diesen Effekt können wir uns zunutze machen: Wenn wir uns mit unangenehmen Erinnerungen wenig oder gar nicht mehr beschäftigen, verblassen sie.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Füttern wir unser Gehirn mit interessanten Inhalten, bleibt es wach und aktiv. Ein Ausflug an einen unbekannten Ort, das Auswendiglernen eines Gedichts oder eines Songtexts, das Erlernen einer Fremdsprache oder eines Musikinstruments – es gibt viele Möglichkeiten, etwas Gutes für unsere Synapsen zu tun.

21.12.2021

Weihnachtslied

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Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht.
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist gescheh‘n.
(Theodor Storm)

25.11.2021

Wolken in der Warteschlange

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Beim Einkaufen ist die längste Warteschlange an der Kasse nicht gerade die beliebteste. Wählen wir sie ganz bewusst aus und stellen uns dort an! Es lohnt sich. Denn wir erhalten eine kostenlose Lektion über unsere Zeit.
Das Planen von Aktivitäten und Terminen sowie der damit verbundene Blick auf die Uhr bestimmen in weiten Teilen unser Leben. In unserer Gesellschaft gilt es als Tugend, pünktlich zu sein und sich zeitsparend zu verhalten. Schließlich gibt es so viele Dinge, die erledigt werden müssen, und der Tag hat nur 24 Stunden. Sich einmal nicht zu beeilen, ist ungewohnt für uns. Wir wollen möglichst effizient sein, am besten noch fünf Minuten „herausholen“. Doch was machen wir dann mit den „gewonnenen“ fünf Minuten?
In der Kindheit gab es sie noch – diese unendlich langen Sommertage. Den ganzen Tag spielen, Spaß haben, im Gras liegen und Wolken beobachten, viel lachen und einen großen Eisbecher essen! Solch ein Tag hatte ebenfalls nur 24 Stunden, war aber gefühlt eine kleine Ewigkeit.
Die kleinen Momente zu genießen, wirklich zu sehen, was um uns herum gerade passiert, sich nicht ständig getrieben zu fühlen, sondern den Augenblick intensiv zu spüren – das lohnt sich zu üben. Denn so, wie wir einen Tag verbringen, verbringen wir schließlich unser Leben.
Während man an der längsten Kassenschlange wartet, kann man ganz wunderbar träumen, keine Wolken, aber dafür Leute beobachten oder sich über so manche Situationskomik amüsieren. Man kann üben, den gegenwärtigen Moment zu spüren und dabei geduldig, freundlich und friedlich zu bleiben. Schließlich kann man sich sogar auf einen großen Eisbecher freuen, der schon im Einkaufswagen liegt.

21.10.2021

Am Ende des Regenbogens

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Wenn ein Regenbogen am Himmel erscheint, ist das immer wieder faszinierend. Seit jeher ranken sich um dieses Naturschauspiel Geschichten und Mythen aus den verschiedensten Kulturen. Am Ende des Regenbogens gäbe es einen Topf mit Gold zu finden, so verspricht es eine irische Sage. Dafür müsste man allerdings lange laufen – denn der Bogen ist eigentlich ein Kreis und findet nur ein scheinbares Ende am Horizont.
In der germanischen Mythologie wird er als „schwankende Himmelsstraße“ (Bifröst) bezeichnet: eine Brücke, die unsere Erdenwelt und das Himmelreich miteinander verbindet. Ähnlich wird es in den griechischen Mythen beschrieben: Die Göttin Iris reist auf dem Regenbogen, der als Verbindungsweg zwischen Himmel und Erde dient. In Australien verehren die Aborigines eine Regenbogenschlange als Schöpferin der Welt.
In einem indischen Sprichwort heißt es: „Ohne die Tränen in unseren Augen gäbe es keinen Regenbogen in der Seele.“ Das erklärt schon fast die Entstehung des sagenumwobenen Farbspiels am Himmel. Ein Regenbogen erscheint dann, wenn die Sonne eine Regenwand anstrahlt. Das zunächst weiß erscheinende Sonnenlicht wird von den Regentropfen gebrochen, in die Spektralfarben aufgeteilt, reflektiert und wieder gebrochen. Dadurch sehen wir die sieben Farben des Regenbogens: Rot, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Indigo und Violett. Ein zweiter, schwächerer Bogen wird dann sichtbar, wenn das Licht mehrfach in den Tropfen gebrochen wird.
Auch heutzutage wird der Regenbogen vielfach als Symbol verwendet. Er steht für Frieden, Toleranz, Veränderung und Zuversicht. Und wer weiß: Vielleicht führt über ihn doch eine Brücke ins Himmelreich, so wie in den alten Mythen und Sagen beschrieben.

23.09.2021

Herbst

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Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke

01.09.2021

Woher kommt das Mitgefühl?

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„Ein verwundet Herz hat keinen besser‘n Trost als eine mitfühlende Seele.“ So sagte es bereits Gottfried Keller, Schweizer Dichter und Romanautor.
Doch was ist es, was uns mitfühlen lässt – woher kommt das Mitgefühl? Die deutsche Neurowissenschaftlerin und Psychologin Dr. Tania Singer hat zu diesem Thema am Max-Planck-Institut in Leipzig umfangreiche Studien durchgeführt.

Verantwortlich für das Mitgefühl sind demzufolge Netzwerke im Gehirn, die ähnlich funktionieren wie die sogenannten „Spiegelneuronen“. Diese Nervenzellen zeigen das gleiche Aktivitätsmuster, egal ob wir selbst einem Schmerz ausgesetzt sind oder ob wir nur betrachten, wie ein anderer Schmerz erleidet. Ähnlich wie ein Musikinstrument schwingen wir mit und gehen in Resonanz.
Wenn wir das Leid eines anderen mitempfinden, ist ihm jedoch noch nicht geholfen. Mitgefühl beinhaltet zusätzlich die altruistische Motivation, dem anderen helfen zu wollen, und unterscheidet sich vom Mitleid. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Mitgefühl leidet nicht mit. Es bezieht sich zwar auf das Leiden anderer, weckt aber positive Gefühle wie Wärme, Liebe und Fürsorge. Im Englischen Sprachgebrauch wird „compassion“, also das Mitgefühl, auch als „loving kindness“ bezeichnet. Es ist eine heilsame Empfindung, die aus der Liebe und Verbundenheit zu anderen Lebewesen entsteht. Mitgefühl trägt, liebt und stützt.
Durch mentale Trainingsmethoden wie Achtsamkeitspraxis und Meditation kann das Mitgefühl trainiert werden. In den Studien der Neurowissenschaftler wurde bewiesen, dass das Training erstaunlich positive Effekte auf das Gehirn der Probanden hatte. Bisher wurde angenommen, dass die kortikale Dicke (das heißt die Dicke der Großhirnrinde) mit steigendem Alter abnimmt und sich nicht regenerieren lässt. Durch das regelmäßige mentale Training hat sich diese jedoch bei den Probanden positiv verändert und ist gewachsen. Mitgefühl zu haben ist folglich nicht nur die Basis jeglichen sozialen Miteinanders, sondern es ist auch sehr gesund!
 

01.09.2021

Hyaluron für die Seele?

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Die Beschäftigung mit Äußerlichkeiten ist in unserer heutigen Gesellschaft leider sehr stark ausgeprägt. In den sozialen Medien werden nur die schönsten und glücklichsten Momente gepostet. Dadurch wird suggeriert, dass es ganz normal ist, erfolgreich zu sein, eine tolle Familie zu haben und selbstverständlich jederzeit blendend auszusehen. Welcher Druck demzufolge gerade auf jungen Menschen lastet, die mit der Allgegenwärtigkeit von Instagram, Facebook & Co. aufwachsen, lässt sich nur erahnen.
Die Anzahl der ästhetischen Behandlungen ist stetig steigend und macht die Ausmaße des Schönheits- und Optimierungswahns deutlich. Faltenunterspritzungen mit Hyaluron, Botox-Behandlungen und schönheitschirurgische Eingriffe werden bei Dermatologen, Kosmetikstudios und plastischen Chirurgen so stark nachgefragt wie noch nie zuvor.
Aber wenn – wie jeder weiß – die wahre Schönheit eigentlich von innen kommt, was bringt das Ganze dann überhaupt? Eine schöne Seele, die von innen nach außen strahlt, lässt sich nicht durch Unterspritzungen mit Hyaluron herstellen. Das Älterwerden entspricht dem Lauf der Zeit, das Nachlassen der körperlichen Kräfte ist naturgemäß, wir Menschen „welken“ äußerlich ganz genauso, wie eine schöne Blume es auch tut.
Das Gute daran ist: Im gleichen Zuge, wie wir äußerlich im Laufe der Jahre „abbauen“, können wir innerlich wachsen und schöner werden. Mit dem Altern bietet sich die Chance, erfahrener, klüger und ausgeglichener zu werden. Betagte Augen haben viel gesehen, können strahlen, Lebensfreude und Mut versprühen. Eine schöne Seele ist friedlich und steht vielleicht ein kleines bisschen über den Dingen. Über aufgespritzte Lippen und faltenfreie Gesichter kann sie jedenfalls nur schmunzeln.

03.07.2021

Aufblühen im Halbschatten

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„Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, so heißt es in einer Redensart. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass es mit zunehmendem Alter schwieriger wird, sich neu zu verwurzeln. Der Schritt in eine andere Stadt, in ein verändertes Umfeld, der Umzug in eine neue Wohnung oder später in ein Seniorenheim – all das fällt nicht leicht.
Ob wir uns an einem Ort wohlfühlen oder nicht, hängt von den Standortbedingungen ab, ganz genauso wie bei den Pflanzen. Hier eine Parallele zu ziehen, ist wirklich interessant und wir können bei Betrachtung der Flora vieles über Bedürfnisse lernen.

Jahrelang stand eine Kamelie im Garten sehr schattig unter großen Nadelbäumen und hat kaum die Sonne gesehen. Auf den ersten Blick sah sie gut aus: Aufrecht gewachsen, ihre Blätter kräftig und dunkelgrün. Nur geblüht hat der schöne Strauch nie. Was ihr fehlte, war die Sonne. Erst nachdem sie an einen anderen Standort umgesetzt wurde, konnte sie ihre wahre Pracht entfalten. Nach und nach entwickelten sich viele wunderschöne, rosafarbene Blüten. Nun waren alle Bedürfnisse erfüllt ¬¬– eine geschützte Lage im Halbschatten vor dem Haus, vormittags etwas Sonne, nährstoffreicher Boden und selbstverständlich viel gutes Zureden!
Jeder von uns kennt das Gefühl, am richtigen oder auch am falschen Ort zu sein. Wenn die Bedingungen stimmen, fühlen wir uns wohl. Das Klima ist dabei wichtig, die Temperatur, die Lebensmittel und Nährstoffe, die wir zu uns nehmen können, die Menge an Wasser, die wir trinken. Fühlen wir uns an kälteren oder wärmeren Orten wohl? Wie viel Wind oder Sonne vertragen wir? Wo können wir so richtig durchatmen, vielleicht am Meer mit einer frischen Brise? Ein subtropisches Klima empfindet so mancher während der Ferien eventuell als angenehm, aber auf Dauer wäre die Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit belastend?

Die Frage ist, wo wir aufblühen können und gut gedeihen. Wie wäre es mit einer geschützten Lage im Halbschatten, vormittags etwas Sonne und mit viel gutem Zureden?
 

03.07.2021

Emotion oder Gefühl?

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Die Begriffe Emotion und Gefühl werden im Sprachgebrauch häufig gleichgesetzt. Aber die Differenzierung zwischen ihnen hilft, uns selbst und andere besser zu verstehen.
Emotionen sind angeboren und haben ihren Ursprung im limbischen System. Sie entstehen durch einen äußeren Reiz und bewegen uns dazu, zu handeln oder eine Handlung zu beenden. Sie sind flüchtig und bleiben nicht lange bestehen.
Emotionen spiegeln sich in der Mimik
Man unterscheidet zwischen sieben Basis-Emotionen: Freude, Angst, Wut, Ekel, Überraschung, Traurigkeit und Verachtung. Der amerikanische Psychologe Paul Ekman fand heraus, dass diese Emotionen immer mit einer bestimmten Mimik einhergehen. Und das weltweit und kulturübergreifend bei allen Menschen in gleicher Form. Wenn jemand überrascht ist, ängstlich oder erfreut, dann sieht das in Asien genauso aus wie in Europa oder in Südamerika.
Gleichwohl Emotionen affektives Verhalten auslösen, können wir beeinflussen, ob wir tatsächlich handeln oder nicht. Wenn wir beispielsweise in Wut geraten, erfordert es einen Moment des Innehaltens, um diesem Impuls nicht sofort eine Handlung folgen zu lassen. So verlieren wir nicht die Kontrolle.
Gefühle sind Wegweiser
Gefühle hingegen sind das Ergebnis unseres bewertenden Denkens. Ereignisse müssen eingeordnet und reflektiert werden – daraus entwickelt sich das Gefühl nach und nach. Ob wir uns gut oder schlecht fühlen, hängt daher nicht von der Situation oder vom Verhalten der Mitmenschen ab, sondern davon, wie wir das Ganze kognitiv beurteilen.
Gefühle sind Wegweiser in unserem Leben und der Grund für unsere Intuition. Wenn sich etwas „gut anfühlt“, ist es oft die richtige Entscheidung. Ohne unsere Gefühle wären wir nicht in der Lage, Empathie zu empfinden. Wir können nur dann gut nachempfinden, wie sich ein anderer fühlt, wenn wir eine ähnliche Lebenssituation bereits durchlebt haben. So entsteht soziale Kompetenz, die uns im zwischenmenschlichen Miteinander hilft. Es lohnt sich also, Gefühle zuzulassen, zu durchleben und zu verstehen.

21.04.2021

Mutter Erde und ihr Sorgenkind

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Vor einigen Jahren war es erstmalig im Frankfurter Zoo zu sehen. Der berühmte Tiermediziner, Zoologe und Verhaltensforscher Bernhard Grzimek präsentierte den Besuchern ein besonderes Lebewesen. Es hatte viele verschiedene Gesichter und wirkte dennoch sehr vertraut. An dem Gehege hing ein Schild: „Hier sehen Sie das gefährlichste Raubtier der Welt“ – und die Zoo-Besucher erblickten in einem Spiegel sich selbst.
Der Mensch ist gefährlicher Feind vieler anderer Lebewesen. Durch die Industrialisierung, das moderne Leben und die Mobilität zerstört er die Umwelt und natürliche Lebensräume. Er verpestet die Luft mit Emissionen wie Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub. Das Artensterben und der Klimawandel sind bedrohliche Szenarien, die keine Zukunftsvisionen sind, sondern aktuell stattfinden.
Um es ganz deutlich zu machen: Ausgerechnet Homo sapiens – lateinisch für „kluger, vernünftiger Mensch“ – ruiniert den Planeten. Ist dieser kluge Mensch als Ergebnis der Evolution in Wirklichkeit einfach nur das Sorgenkind von Mutter Erde?
Braucht die Erde den Menschen?
Oder wäre der Planet ohne seine menschlichen Bewohner besser dran? Vielleicht ist Mutter Erde auch einfach nur komplett überfordert mit ihren vielen Kindern. Aktuell leben fast acht Milliarden Menschen auf der Erde, und die Weltbevölkerung wächst weiter – derzeit um über 80 Millionen pro Jahr. Laut einer Schätzung der Vereinten Nationen wird es im Jahre 2050 fast zehn Milliarden Menschen geben. Das wird zu weiteren gravierenden Problemen führen. Das durch Homo sapiens verursachte Artensterben bedroht paradoxerweise ihn selbst, weil er seine eigene Lebensgrundlage zerstört. Eigentlich nicht sehr intelligent.
Ohne den Menschen würde es der Natur besser gehen. Viel besser. Und daher darf man die Frage stellen, ob wir uns tatsächlich als die „Krone der Schöpfung“ betrachten sollten.

20.03.2021

Was ist Sterben?

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Ein Schiff segelt hinaus und ich beobachte,
wie es am Horizont verschwindet.
Jemand an meiner Seite sagt: „Es ist verschwunden.”
Verschwunden wohin?

Verschwunden aus meinem Blickfeld – das ist alles.
Das Schiff ist nach wie vor so groß, wie es war,
als ich es gesehen habe.
Dass es immer kleiner wird und es dann völlig aus
meinen Augen verschwindet, ist in mir,
es hat mit dem Schiff nichts zu tun.

Und gerade in dem Moment, wenn jemand neben
mir sagt, es ist verschwunden, gibt es andere,
die es kommen sehen, und andere Stimmen,
die freudig aufschreien: „Da kommt es!”
Das ist Sterben.
Charles Henry Brent

26.02.2021

Entspann Dich! Kontrolle ist nur eine Illusion.

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Jeder wünscht sich Kontrolle über das eigene Leben. Gerade in unsicheren Zeiten verstärkt sich dieses Bedürfnis.
Noch vor zwei Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass wir heute inmitten einer Pandemie leben. Teilweise wirkt das ganze Szenario immer noch wie ein schlechter Science-Fiction-Film. Die Menschen laufen mit einer Art Filtertüte auf der Nase herum, keiner kommt dem anderen zu nahe, wir weichen einander aus. Das gesellschaftliche und soziale Leben steht weitestgehend still. Hätten wir solch einer Zukunftsvision geglaubt?
„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“ Dieser Ausspruch wird Wilhelm Busch zugeschrieben und bringt es auf den Punkt. Wir müssen lernen, dass manche Dinge sich einfach komplett einer Planbarkeit entziehen. Das ist das Leben.
Auch der Verlust eines geliebten Menschen bedeutet den Verlust von Kontrolle. Da sieht man sich plötzlich mit einer neuen Realität konfrontiert, die unerträglich erscheint. Wir haben keine Möglichkeit der Einflussnahme. Wir wünschen uns die Macht über das Leben, haben aber keine.
Eigentlich ist das Gefühl von Kontrolle nur eine Illusion. Aber durch unseren Versuch, die Welt und deren Ereignisse zu steuern, fühlen wir uns in einer vermeintlichen Sicherheit. Wie oft haben wir schon die Zukunft geplant und sind von einer bunten und komplexen Welt eines Besseren belehrt worden?
Ein altes Sprichwort lautet: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan.”
Doch zu den nicht steuerbaren Ereignissen gehören nicht nur Katastrophen, Krankheiten oder das Ableben geliebter Menschen. Genauso lauert auch das Glück hinter so mancher Hausecke und überrascht mit wunderschönen Erlebnissen.
Also entspannen wir uns und versuchen, bestmöglich auf den Wellen des Lebens zu reiten. Wir sind eben nur ein ganz kleiner Teil davon – ein Staubkorn im Universum.

22.01.2021

Was stirbt zuletzt?

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Auf diese Frage hat der Volksmund eine Antwort: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Gerade in der aktuellen Zeit ist es lohnenswert, sich der Hoffnung zuzuwenden. Denn die Pandemie zehrt an uns allen. Vermehrte Sterbefälle, bedrohte Existenzen, Sorge um Angehörige, Angst vor einer Erkrankung, bei einigen auch „nur“ Einsamkeit aufgrund des sozialen Rückzuges, Langeweile oder Familienstreitereien, weil alle so dicht aufeinander hocken. Die Pandemie hat vielfältige Auswirkungen. Aber sie betrifft uns alle.

Was uns hilft, ist die Hoffnung

Laut Definition ist die Hoffnung eine zuversichtliche innere Ausrichtung. Sie geht einher mit einer positiven Erwartungshaltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass eine Gewissheit darüber besteht.
Die Hoffnung wirkt wie ein Antrieb und Motor in unserem Leben. Sie hält unsere Motivation aufrecht. Jeder Tag beginnt mit Hoffnung – wenn auch unbewusst. Wir hoffen auf gutes Wetter, auf einen erfolgreichen Tag, auf nette Begegnungen. „Hoffentlich bleiben wir gesund.“ „Hoffentlich schneit es am Wochenende.“ „Hoffentlich bekomme ich den Job.“ Die zuversichtliche Einstellung beeinflusst das psychologische Wohlbefinden und die körperliche Gesundheit – das ist sogar wissenschaftlich belegt.

Eine Studie der Universität Marburg aus dem Jahre 2017 sorgte für Aufsehen. Dabei wurden 124 Herzpatienten, denen eine Operation bevorstand, untersucht und begleitet. Ein Teil der Patienten führte Gespräche mit Psychologen, in denen über Pläne für die Zeit nach der OP gesprochen wurde. Ein Patient formulierte beispielsweise die Hoffnung, drei Monate nach der OP wieder seinen Lieblingsweg spazieren gehen zu können. Eine Patientin nahm sich vor, nach vier Wochen ihre Balkonkästen zu bepflanzen. Eine andere Patientin plante eine schöne Italienreise. Der andere Teil der Probanden fungierte als Kontrollgruppe – sie machten keine Pläne und sprachen nicht mit den Psychologen.

Sechs Monate später stellten die Forscher gravierende Unterschiede fest: Die Gruppe der Patienten mit den Zukunftsplänen hatte wesentlich geringere Entzündungsmarker und Stresshormone im Blut. Es ging ihnen nachweislich besser als den Patienten aus der Kontrollgruppe. Sie waren weniger beeinträchtigt in ihrem Familienleben und bei der Arbeit.

In dieser Studie hat man sozusagen die Kraft der Hoffnung gemessen.

17.12.2020

Jedes Mal

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Jedes Mal,

wenn zwei Menschen einander verzeihen,

ist Weihnachten.


Jedes Mal,

wenn ihr Verständnis zeigt für eure Kinder,

ist Weihnachten.


Jedes Mal,

wenn ihr einem Menschen helft,

ist Weihnachten.


Jedes Mal,

wenn ein Kind geboren wird,

ist Weihnachten.


Jedes Mal,

wenn du versuchst, deinem Leben

einen neuen Sinn zu geben,

ist Weihnachten.


Jedes Mal,

wenn ihr einander anseht

mit den Augen des Herzens,

mit einem Lächeln auf den Lippen,

ist Weihnachten.
 

(Aus Brasilien)

 

16.12.2020

Inspiratio

(Foto: AdobeStock #151928127 von agsandrew)

Der lateinische Begriff inspiratio bedeutet „Beseelung“ oder „Einhauchen des Geistes“. Das Wort setzt sich zusammen aus „in“ = hinein und „spirare“ = hauchen, atmen. Spiritus ist der Atem, die Seele oder der Geist.
Unter einer Inspiration verstehen wir außerdem im Hinblick auf künstlerische Kreativität eine plötzliche Eingebung oder eine erhellende Idee.
Wenn wir einatmen, strömt neue Energie in den Körper hinein. Die Kraft wird vom Organismus aufgenommen, Kreativität kann entstehen.
Dazu ein kleines Experiment: Atmen Sie einmal ein. Und dann atmen Sie wieder aus. Vielleicht schließen Sie die Augen dabei. Sind die Augen unruhig? Dann legen Sie die Handflächen auf die Augen. Gönnen Sie sich diese Ruhe: einatmen und ausatmen – mehr ist es nicht.
Wenn wir uns unseres Atems bewusst werden, stellt sich wie von selbst Ruhe ein. In diesem Zustand der Klarheit kann kreative Inspiration stattfinden. Beobachten Sie die Energie: Der Atem kommt und geht ganz automatisch. Die Luft strömt ein und die Luft strömt wieder aus.
Unser Atem begleitet uns das ganze Leben. Damit beginnt und endet das Leben, vom ersten Einatmen des Neugeborenen bis zum letzten Ausatmen des Sterbenden.

15.10.2020

Wie warm ist es im Kochtopf?

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Was macht ein Frosch, der in einen Topf mit kochendem Wasser gesetzt wird? Er springt glücklicherweise sofort wieder heraus. Diese Erkenntnis wurde in einem physikalischen Experiment gewonnen. Ziemlich gemein solche Experimente mit Tieren … aber nun weiß man, der Frosch spürt die Gefahr sofort und rettet sich. Sein Körper würde die Hitze nicht lange aushalten.

Anders ist es, wenn ein Frosch in einen Topf mit kaltem Wasser gesetzt wird. Hier fühlt er sich zunächst wohl und genießt die angenehme Kühle. Leider ahnt der Frosch nicht, wie das Experiment weiter verlaufen wird. Das Wasser im Kochtopf wird sehr langsam immer weiter erwärmt. Der Frosch gewöhnt sich an die zunehmende Temperatur des Wassers und flüchtet nicht. Als Kaltblüter passt er seine Körpertemperatur an die der Umgebung an. Doch auch, wenn es zu heiß wird und es wirklich Zeit wäre, sein Leben zu retten, springt der Frosch nicht heraus. Armer, kleiner Frosch, Friede sei mit ihm.

Das sogenannte „Boiling-Frog-Syndrom“ kann gut auf die Lebensweise in unserer heutigen Gesellschaft übertragen werden. Viele Menschen muten sich zu viel zu. „Schneller, höher, weiter“ ist die Devise. Sie sitzen in einem Kochtopf und merken nicht, wie warm das Wasser schon geworden ist. Ist die eigene Lebenssituation schon längere Zeit nicht mehr angenehm, sei es im Job oder privat? Dann ist es ratsam, nicht wie ein Kaltblüter auszuharren und passiv zu bleiben. Veränderung entsteht nur durch das eigene Handeln. In diesem Fall durch einen beherzten Sprung aus dem heißen Wasser!

21.09.2020

Der Tod als Routine?

(Foto: AdobeStock #63336841 von okalinichenko)

An jedem Tag ist es ein Kommen und Gehen.

Babys erblicken das Licht der Welt - für die Eltern bedeutet es das größte Glück.

Sterbende treten über die Schwelle – für die Hinterbliebenen bedeutet es, zu trauern.

Geburt und Tod sind Realitäten unseres Lebens.

Durchschnittlich sterben in Deutschland jeden Tag 2.600 Menschen. Diese Zahl macht deutlich, wie normal und alltäglich der Tod ist. Jedoch hat die Mehrzahl der Bevölkerung keine Berührungspunkte damit. Wenn überhaupt, dann nur durch die Traueranzeigen in der Zeitung. Doch wie ist es, wenn ein Beruf ausgeübt wird, bei dem der Tod an der Tagesordnung steht? Wie sieht es aus in der Gefühlswelt eines Bestatters – wird der Tod irgendwann zur Routine?

Funktionieren, wenn die Welt Kopf steht. Unterstützen, zuhören, Lösungen finden. Gemeinsam mit den Hinterbliebenen den einen letzten Weg finden. Den Abschied besprechen, vorbereiten und organisieren. Für die Trauernden da sein und ihnen zeigen, dass sie damit nicht allein sind. Denn es betrifft jeden von uns. Das tröstet. Bestatter wissen das.

Die Routine entsteht tatsächlich. Denn der Kontakt mit trauernden Menschen findet beinahe täglich statt. Doch genau dafür braucht der Bestatter sein wichtigstes Handwerkszeug: Einfühlungsvermögen.

Es geht um den Umgang mit sehr privaten, familiären und emotionalen Momenten. Und es geht darum, etwas Besonderes zu erschaffen. Denn jeder Mensch und jede Biografie sind anders. Die Gestaltung eines passenden und sehr persönlichen Abschieds für Verstorbene, die geliebt wurden und nun fehlen – das ist alles andere als Routine.

31.08.2020

Die Sache mit dem Glück … ist das Glückssache?

(Foto: AdobeStock #195248334 von heliopix )

p> „Er hatte ein erfülltes und glückliches Leben.“ Das sagt man am Lebensende über einen Verstorbenen bestenfalls. Und das ist es doch, was wir uns alle wünschen: Wir wollen glücklich sein.

Wobei nach dem Grad des Glückes gefragt gerade ältere Menschen betonen, dass sie in erster Linie zufrieden sind. Wie hängt das zusammen – das Glück und die Zufriedenheit? Zufrieden klingt zunächst nach einer mittleren Schulnote, also nicht richtig gut, nicht richtig schlecht. Es klingt nach Mittelmaß, vielleicht sogar nach Resignation.

Doch bei Betrachtung der Wortherkunft erkennt man: Im Wort Zufriedenheit steckt der Frieden. Das fällt vielleicht nicht jedem sofort auf. „In Frieden“ zu sein ist ein Zustand, der von innen heraus kommt.

Der Schlüssel zum Glück steckt von innen.

Wer in sich hineinhorcht, kann für seinen eigenen Frieden und für Wohlbefinden sorgen. „Wie fühle ich mich?“ Das ist eine wichtige Frage an sich selbst. Denn hinter unseren Gefühlen stecken die Bedürfnisse. Das Gefühl von Angst beispielsweise weist auf das Bedürfnis nach Sicherheit hin. Indem wir unsere eigenen Bedürfnisse erkennen, können wir im nächsten Schritt versuchen, sie zu erfüllen.

Und schon sind wir auf dem richtigen Weg zu einem erfüllten und glücklichen Leben.

Wenn jeder es als ureigene Aufgabe betrachtet, diesen Schlüssel für sich selbst zu finden, dann ist für alle gesorgt. Noch dazu funktioniert es so viel besser als andersherum. Denn wenn wir erwarten, dass andere uns glücklich machen, dann warten wir vielleicht vergeblich.

17.07.2020

Die Macht und die Gewohnheit

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Kann es sein, dass in den vergangenen Wochen, insbesondere seit der Maskenpflicht, viele Menschen doch wieder in ihre alten Gewohnheiten verfallen? Das Gedrängel im Supermarkt und in anderen Geschäften, in Bus und Bahn sowie auf öffentlichen Plätzen findet zunehmend wieder statt. „Ich zuerst“ – eine Philosophie oder besser gesagt ein Laster, das für eine kurze Zeit aus unserem Alltag verbannt wurde, scheint wieder allgegenwärtig. Menschen wähnen sich in Sicherheit, weil sie eine Maske tragen. Warum also jetzt noch Abstand halten?

Mal abgesehen davon, dass ein Ende der Pandemie eher nicht in Sicht ist und im kommenden Herbst und Winter wieder Grippeviren unterwegs sein werden, ist es doch generell eine Frage des Respekts, Abstand zu halten, rücksichtsvoll miteinander umzugehen und vielleicht auch einmal die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Ob am Obststand oder im öffentlichen Verkehr. Drängeln ist scheinbar wieder in. Zu bestimmten Zeiten schiebt sich hastig ein Pulk von Menschen in die Bahn, die es nicht abwarten können, schnell einen Sitzplatz zu ergattern. Dabei wird nicht darauf geachtet, ob vielleicht ältere oder körperlich beeinträchtigte Menschen schon ausgestiegen sind. Im Gegenteil: Wer zu lange für den Ausstieg braucht, wird mit genervten Blicken oder Augenrollen gestraft – ein leider wiederkehrendes Szenario, dass bereits vor Corona definitiv zum Alltag gehörte.

„Gemeinsam durch die schwere Zeit“ hieß es noch vor ein paar Wochen überall und sicherlich gibt es auch Menschen, die sich untereinander helfen, bedingungslos, rücksichts- und respektvoll. Auf der anderen Seite gibt es auch diejenigen, die die Not der Menschen knallhart ausgenutzt und einige Produkte des Alltags zu unverschämt überteuerten Preisen angeboten haben – gerade in der Zeit, als Masken und Hygieneartikel im Handel kurzfristige Mangelware waren.

Bleibt die Frage, ob Corona wirklich etwas Grundlegendes im Hinblick auf das egobasierte Verhalten mancher Menschen verändert hat. Vielleicht hier oder da schon, aber im Allgemeinen wohl eher nicht. Also diesbezüglich bleibt alles wie gehabt und ist dennoch ein bisschen anders.

21.06.2020

Stirb und werde!

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Im Jahre 1817 schrieb Johann Wolfgang von Goethe sein Gedicht „Selige Sehnsucht“.

Es handelt von der Metamorphose des Seins. Eine gedankliche Reise zu der Erkenntnis, dass nichts für ewig sein kann und alles im Wandel sein muss. Eben dieser ewige Kreislauf von Leben, Sterben und Erneuerung in der Natur, ohne den keine Entwicklung möglich wäre.

Der letzte Vers lautet:

Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

Wie mag es der Raupe gehen, die sich verpuppt und zum Schmetterling wird? Sie denkt vielleicht, es gehe mit ihr zu Ende, denn von der ihr bevorstehenden Metamorphose ahnt sie noch nichts. Nun, wohlmöglich machen sich Raupen weniger Gedanken als Menschen. In jedem Falle machen sich Raupen wesentlich weniger Gedanken, als Goethe es getan hat.

Doch wir Menschen können uns der Beschäftigung mit dem Thema zuwenden und uns bewusst für die Akzeptanz entscheiden. Zu verstehen, dass wir alle ein Teil dieser ewiglichen Entwicklung sind, ist ein erstrebenswertes Ziel, welches auch zum Sinn des Lebens führen könnte.

24.05.2020

Mit Abstand am besten

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So sehr es uns auch widerstrebt, aber in diesen außergewöhnlichen Zeiten müssen wir zu denen Abstand halten, die wir gernhaben und zu denen wir uns Nähe wünschen. Es wirkt vollkommen widersprüchlich, aber genau dadurch zeigen wir unseren Respekt und unsere Liebe.

Es sind herausfordernde Zeiten, in denen wir umdenken, ja, umlernen müssen. Schon als Kinder haben wir gelernt, dass Liebe und Nähe zueinander gehören. Nun verlangen die Umstände, dass wir uns anders verhalten müssen. Dabei wirkt die Bedrohung im Alltag oft abstrakt, denn wir können sie nicht sehen. Die Sonne scheint wie zum Trotz vom blauen Himmel, der Frühling zeigt sich in seinen schönsten Farben. Alles wirkt so normal und ist es doch nicht.

Was im alltäglichen Leben schon schwierig ist, wird in emotionalen Ausnahmesituationen noch extremer. Im Trauerfall möchten wir unser Mitgefühl durch Nähe und Zuwendung zeigen. Aber bedingt durch die Corona-Pandemie müssen Bestattungen ganz anders ablaufen, als wir es kennen. Denn auch während einer Trauerfeier müssen die Menschen den gebotenen Schutzabstand einhalten. Es ist schmerzlich zu sehen, wie schwer es für die Beteiligten ist, ihr Beileid nicht durch einen mitfühlenden Händedruck oder eine herzliche Umarmung zum Ausdruck bringen zu dürfen.

Im Augenblick müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass wir unsere Mitmenschen nur durch diesen Abstand schützen können. Wenn wir es nicht tun, gefährden wir uns gegenseitig. Also gilt auch bei Beileidsbekundungen: Mit Abstand am besten.

16.04.2020

Was macht die Pandemie mit uns?

(Foto: AdobeStock #334466328 von Sergey)

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind extrem vielschichtig. Es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen und jeden Tag neue Nachrichten sowie Einschätzungen der Experten. Für jeden Einzelnen von uns kommt die ganz eigene, persönliche Situation hinzu, unter deren Einfluss wir auf die aktuellen Ereignisse blicken.

Dass in unserer auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichteten Gesellschaft nun Werte wie Gesundheit, Solidarität und der Schutz von alten oder vorerkrankten Menschen an oberster Stelle stehen, mag für manchen überraschend sein. So sehr man sich über diesen Sinneswandel freuen möchte, so unvermeidbar ist jedoch der Blick auf das System, das infolge eines länger anhaltenden Shutdowns nicht mehr funktionieren wird. Eine zu erwartende Rezession wird Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, schlimmstenfalls auch Armut und Krankheit mit sich bringen. Nun gilt es abzuwägen, welches das geringere Übel ist.

Sich in diesem Zusammenhang über die Delfine im Hafen von Venedig zu freuen oder über die sinkenden Emissionswerte, erscheint fragwürdig und geradezu pietätlos. Ist es angesichts steigender Sterbefälle oder bedrohter Existenzen nun wirklich angebracht, sich gedanklich in eine himmelblaue, schadstofffreie Welt zu flüchten? Wer in dieser Krise nicht zuerst das Bedrohliche sähe, der nähme weder die Krise noch das Leben der Menschen ernst. Nähe durch Abstand – und was jetzt Hoffnung macht

Es erscheint paradox, aber trotz Kontaktverbot, Ausgangssperren und Sicherheitsabstand kommen sich die Menschen gerade jetzt einander näher. Das Gefühl innerer Verbundenheit ist groß, der Zusammenhalt in der Gesellschaft stark und die Solidarität ist gelebte Realität. Es zeigt sich, dass der Abstand, den wir alle halten müssen, lediglich eine physische Distanz ist. Miteinander reden, sich über Ängste und Sorgen austauschen, einander zuwinken, sich anlächeln – all das begegnet uns jeden Tag und ist Ausdruck wahrer Menschlichkeit. Die Pandemie zeigt uns auf eindrucksvolle Art und Weise, dass wir alle zur gleichen Spezies gehören. Wir alle – alle Menschen auf dieser Welt – sind verletzlich. Diese Erkenntnis sollte unseren Zusammenhalt stärken, auch über die Pandemie hinaus.

18.03.2020

Die zehn Räume des Lebens

(Foto: AdobeStock # 134313775 von darkbird)

Wenn Menschen am Ende ihres Lebens sagen, dass sie ein erfülltes Leben hatten, was meinen sie dann damit?

Was Erfüllung bedeutet, ist vermutlich für jeden von uns unterschiedlich. Denn das Gefühl von Sinnhaftigkeit und Fülle entsteht durch verschiedene Komponenten. Und doch gibt es Aspekte im Leben, die ganz grundsätzlich menschliche Bedürfnisse erfüllen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er braucht Kontakte und Kommunikation mit anderen. Dieser zwischenmenschliche Austausch, das familiäre Miteinander und die emotionale Verbundenheit in Freundschaft und Liebe gehören zu den wichtigsten Inhalten. Daneben ist auch die geistige Inspiration durch Kunst, Literatur oder die Arbeit eine gehaltvolle Komponente. Ruhe und Kraft in der Natur zu finden, Zuversicht durch den Glauben oder eine spirituelle Einstellung gehören ebenso dazu.

Unser Innerstes, unsere Seele möchte befüllt werden.

Eine schöne Vorstellung ist es, die Facetten unseres Lebens mit einem Haus zu vergleichen. Das Haus hat mehrere Räume. Einige davon werden schon intensiv genutzt, andere hingegen noch nicht so sehr. Je mehr Räume wir nutzen, desto mehr Vielfalt und Fülle bringen wir in unser Leben.


 

 

17.03.2020

Die zehn Räume des Lebens

(Foto: AdobeStock # 134313775 von darkbird)

17.02.2020

Das Dorf der Unsterblichkeit

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Die Inselgruppe Okinawa liegt im ostchinesischen Meer zwischen Taiwan und dem Festland Japans. Die Inseln bezaubern durch ihre paradiesisch anmutenden Traumstrände, das tropische Klima und ein sehr entspanntes Lebensgefühl. Hier liegt Ogimi – ein ganz besonderes Dorf mit einem hohen Bekanntheitsgrad. Denn unter den Einwohnern sind ungewöhnlich viele Menschen über 90 und sogar über 100 Jahre alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern liegt bei über 85 Jahren und Frauen werden durchschnittlich 90 Jahre alt. Das japanische Ogimi wird daher „Das Dorf der Unsterblichkeit“ genannt.

"Mit 70 bist du ein Kind, mit 80 ein Jugendlicher, und mit 90, wenn dich deine Ahnen in den Himmel rufen, bitte sie zu warten, bis du 100 bist." So lautet ein geflügeltes Wort in Ogimi.

Was ist das Geheimnis dieser Langlebigkeit?

Wissenschaftler vermuten, dass vor allen Dingen die spezielle Ernährung der Einwohner ein langes Leben begründet. Traditionell kommen hier sehr viel Obst und Gemüse sowie Algen auf den Tisch. Fettarmes Fleisch, Reis und Seefisch ergänzen die Mahlzeiten. Besonders die Zitrusfrucht Shikuwasa ist in dieser Region beliebt. Sie ist reich an Flavonoiden. Die Menschen leben nach dem „HaraHachiBu“-Prinzip, das bedeutet sie essen immer nur so viel, bis sie zu 80 Prozent gesättigt sind.

Aber neben der Ernährung spielen auch das gesellige Dorfleben und viel Bewegung eine Rolle. 70- bis 90-jährige treffen sich regelmäßig auf dem Sportplatz zum Gateball – eine Art Krocket – und haben viel Spaß dabei. Der Kampfsport Karate wurde ebenfalls auf der Inselgruppe Okinawa erfunden. Die Dorfverwaltung unterstützt die alte Bevölkerung und organisiert das gesellschaftliche Leben mit vielen Veranstaltungen.

So bleiben die Menschen bis ins hohe Alter aktiv und leben in einem engen sozialen Zusammenhalt mit starker gegenseitiger Unterstützung.

Übrigens: Den 97. Geburtstag feiern die Einwohner traditionell mit einer großen Party!

18.12.2019

Still erleuchtet jedes Haus

(Foto: AdobeStock #243586192 von JFL Photography)

Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Friedens. In diesen Tagen wünschen wir uns eine besinnliche Zeit im Kreise unserer Familie und Freunde. Zur Heiligen Nacht möchten wir innehalten und ruhig sein. Einfach einmal still stehen und schauen.

Bereits im Jahre 1864 erschien das Gedicht „Weihnachten“ von Joseph von Eichendorff. Die zauberhafte Stimmung und die Sehnsucht nach Frieden in einer Zeit, in der Wunder möglich erscheinen, sind bis zum heutigen Tage nachfühlbar.

Wir wünschen Ihnen eine friedvolle, wunderbare Weihnachtszeit!

Markt und Straßen steh‘n verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh‘ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein steh‘n und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil‘ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt‘s wie wunderbares Singen −
O du gnadenreiche Zeit!

(Joseph von Eichendorff)

19.11.2019

Ego oder zugehörig?

(Foto: AdobeStock #174740668 von Wilma)

Selbstverwirklichung, Selbstdarstellung, Selbstoptimierung – in unserer heutigen Gesellschaft sind diese Themen allgegenwärtig. Es wimmelt von Ratgeberbüchern, die uns erklären, wie wir unsere Persönlichkeit bestmöglich entfalten. Es scheint um das maximal erreichbare Glück zu gehen und darum, dem Leben das Sahnehäubchen aufzusetzen. Dieser Trend findet sich in den sozialen Medien wieder und gipfelt dort in geradezu narzisstisch anmutenden Selbstdarstellungen. Auf Instagram, Facebook, Snapchat oder bei WhatsApp – überall zeigen die Menschen, was für ein erfülltes, glückliches Leben sie führen und wie spektakulär ihre Erlebnisse sind.

Warum geht es so sehr um die Darstellung der eigenen Person und das Hervorheben der vermeintlichen Einzigartigkeit? Wenn jedes Individuum sich selbst so wichtig nimmt, wo bleibt dann der Blick für das Ganze?

Am Ende des Lebens hört die Abgrenzung auf. Denn irgendwann gehen wir zurück ins Universum, es wird Erde zu Erde, Asche zu Asche. Oder wir kehren zurück zu Gott, ins Himmelreich, in die Energie, in den Kreislauf des Lebens, je nachdem, woran wir glauben. Die Dualität wird aufgehoben, wir gehen „über“, werden eins. Man könnte sich fragen, ob es dann nicht ein Trugschluss ist, dass wir im Leben so viel Energie darauf verwenden, uns als Einzelwesen darzustellen.

Warum können wir uns nicht in erster Linie verbunden fühlen, anstatt uns abzugrenzen? Wir sind nur ein Teil des Ganzen. Und unser Dasein hat Auswirkungen auf das Ganze. Ego oder zugehörig? Vielleicht wird uns das am Ende des Lebens klar.

16.10.2019

Reiseführer für Verstorbene

(Foto: AdobeStock #250476548 von Dmytro Titov)

Der Dalai Lama erklärt in einem Interview: „Das Leben ist wie ein Wechsel. Wenn Ihre Kleider alt geworden sind, schmeißen Sie sie weg und nehmen neue, schöne Kleider. So ähnlich ist es mit dem alten Körper, der nicht mehr richtig funktioniert. Man wechselt hinüber zu einem neuen Körper. Einem Körper mit mehr Energie und Frische.“

Im tibetischen Buddhismus geht man davon aus, dass der Geist nach dem Tod weiterexistiert. Er erfährt lediglich eine Wandlung und wird in einem anderen Körper wiedergeboren. „Bardo“ wird der Zeitraum zwischen dem Moment des Todes und der Wiedergeburt genannt. In dieser Zeit geht das Bewusstsein auf eine Reise. Um diese Reise sicher zu geleiten, wird der Verstorbene aufgebahrt und ihm wird mehrere Tage lang aus dem „Bardo Thödol“, dem tibetischen Totenbuch, vorgelesen.

„Fürchte Dich nicht vor dem Licht, sondern lasse Dich voller Vertrauen und Hingabe darauf ein.“

Das tibetische Totenbuch kann wie ein Reiseführer für Verstorbene verstanden werden. Die Texte werden dem Gelehrten Padmasambhava zugeschrieben, der im 8. Jahrhundert n. Chr. den Buddhismus in Tibet etabliert haben soll. Dem Verstorbenen werden konkrete Anweisungen gegeben, wie er sich zu verhalten hat. So kann er ohne Angst und voller Zuversicht in die nächsten Ebenen weiterreisen.

Buddhisten glauben daran, dass es im Tod einen Augenblick der Klarheit gibt, eine Begegnung mit uns selbst. Diesen Moment zu erkennen, ist von großer Bedeutung. So kann es bestenfalls zur Erleuchtung kommen, zumindest aber können günstige Bedingungen für die nächste Existenz geschaffen werden. Denn bestimmte Prägungen und psychische Grundmuster werden gespeichert und bei der Verbindung mit einem neuen Körper wieder aktiviert.

Der Dalai Lama betont, dass es wichtig ist, den Tod nicht zu verdrängen, sondern sich mit ihm auseinanderzusetzen: „Die Realität des Todes ist in allen buddhistischen Gesellschaften Ansporn zu tugendhaftem Handeln. Über den Tod zu kontemplieren, gilt als etwas, das von Furcht befreit.“

19.09.2019

Erfahrung – die große Unbekannte

Bild:#43744241 von Pierre-Yves Babelon - stock.adobe.com

„Meiner Erfahrung nach …“ So beginnen manchmal ältere Menschen, wenn sie aus ihrem Leben erzählen. Seien es die eigenen Eltern, Großeltern oder Bekannte – in jedem Falle lohnt sich nun gutes Zuhören. Denn von den Älteren kann man so einiges lernen. Mit ihrer Lebenserfahrung können sie den Jüngeren wertvolle Hinweise und Denkanstöße geben.

Junge Leute wissen mit dem Wort „Erfahrung“ oftmals noch gar nichts anzufangen. Was soll das denn sein? Hört sich irgendwie an wie „Schnee von gestern“. Die Erfahrung bleibt genau so lange die große Unbekannte, wie es im eigenen Leben noch wenig davon gibt.

Die Lebenserfahrung ist per definitionem die Summe aller Erlebnisse und der daraus gezogenen Erkenntnisse. In humanistischen Denkweisen betrachtet man das Leben als einen allmählichen inneren Wandlungsprozess. Durch das Sammeln von Erfahrungen entwickelt sich der Mensch von einem Zustand des Nichtwissens hin zu einem Zustand der Aufklärung und Weisheit.

Jedes Erlebnis kann dabei zu einer lehrreichen Lektion werden. Je nachdem, was wir auf unserem Lebensweg erfahren, gewinnen wir individuelle Erkenntnisse. So sind wir zu demjenigen geworden, der wir sind.

Wir kommen nicht umhin, unsere Erfahrungen selbst zu sammeln und das Leben tatsächlich „am eigenen Leib zu erfahren“. Dafür offen zu sein und sich nicht zu verschließen, ist wichtig für die eigene Entwicklung. Man kann sich schon denken, dass der Erfahrungsschatz zuhause auf dem Sofa mit einer Tüte Gummibärchen nicht gerade größer wird.

Deswegen ist es gut, sich selbst zu fordern und sich auch außergewöhnlichen Umständen auszusetzen. Etwas Neues auszuprobieren, was man noch nie zuvor gemacht hat, an einen noch unbekannten Ort zu reisen, intensiv mit allen Sinnen die Natur oder Musik wahrzunehmen, all das sind Erlebnisse, die in unseren Erfahrungsschatz übergehen.

Es ist ein Schatz, wertvoller als alles Vermögen oder Besitztümer, die wir ansammeln könnten. Denn wer auf die Jahre seines wirklich gelebten Lebens zurückblicken kann, der kann jederzeit auf einen inneren Reichtum zurückgreifen, der Stärke und Mut verleiht.

10.09.2019

Werden wir unsterblich?

(Bild: Adobe #106609879 von magicmine)

Israelische Forscher haben mit einem 3-D-Drucker ein kleines Herz hergestellt. Was klingt wie eine Nachricht aus der Zukunft, ist tatsächlich bereits Gegenwart und Realität.

Wie das geht? Aus menschlichem Gewebe entnommene Fettzellen werden zunächst zu Stammzellen umprogrammiert. Aus diesen Stammzellen lassen sich dann Herzzellen und Zellen der Blutgefäße produzieren. Die Kartuschen des Druckers beinhalten Stützsubstanzen, die ebenfalls vom Patienten stammen. Im Anschluss wird in einem 3-D-Druckverfahren das Herz hergestellt.

Die neueste Nachricht folgte kurz darauf von Forschern aus Pennsylvania, USA. Sie haben eine funktionierende Herzklappe und eine Herzkammer mit einem 3-D-Drucker produziert. Die Herzkammer zieht sich regelmäßig zusammen. Das Herz könnte also schlagen.

Ein technisches Problem

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Tod lediglich ein „technisches Problem“, das gelöst werden will. Menschen sterben aufgrund von technischen Störungen. Blutlaufbahnen werden durch Fettablagerungen verstopft, Keime vermehren sich, Krebszellen breiten sich aus oder das Herz hört auf zu schlagen. Die Medizin kämpft dagegen an, will Krankheiten besiegen und unser „Verfallsdatum“ verlängern. Unzählige Medikamente, Therapien und Heilungsmöglichkeiten wurden bereits erfolgreich entwickelt.

Im 20. Jahrhundert verdoppelte sich die durchschnittliche Lebenserwartung nahezu von 40 auf 70 Jahre. Wenn die Entwicklung so weitergeht, könnte gegen Ende des 21. Jahrhunderts ein durchschnittliches Lebensalter von 150 Jahren ganz normal sein.

Im Silicon Valley forscht die California Life Company (ein Tochterunternehmen von Google) nach eigenen Aussagen an der Überwindung des Todes. „Wir versuchen nicht, ein paar Meter gutzumachen. Wir versuchen, das Spiel zu gewinnen“ heißt es dort. Einige Experten glauben, die Menschheit werde im Jahre 2200 den Tod überwinden. Dann könnte man alle 10 Jahre in eine Klinik gehen und eine Art Generalüberholung durchführen lassen. Organe oder Gelenke würden ausgetauscht, Krankheiten geheilt, nachlassendes Gewebe wieder aufgebaut.

Es stellt sich die Frage, ob die Menschheit wirklich eines Tages „dem Tod ein Schnippchen schlagen“ kann.

16.07.2019

Wie ist das eigentlich, wenn man tot ist?

Bild: Adobe # 227230866 von Aaron Amat

Eine Frage von einem Kind. Und wie so oft, wenn Kinder fragen, ist dies nicht nur unverblümt und entwaffnend offen, sondern trifft in aller Einfachheit sogar den Kern vieler tiefsinniger Gedanken von Erwachsenen.

Wir alle wissen und begreifen nicht, was der Tod ist. Wie er sich anfühlt, welche Gestalt er hat, welche Dimension. Folglich ist das eine vollkommen berechtigte Frage – wie ist das eigentlich, wenn man tot ist? Wir alle, die wir am Leben sind, wissen es nicht. Wir haben den Tod noch nicht erfahren, jedenfalls nicht bewusst oder in einer Form, derer wir uns erinnern könnten. Woher also sollten wir es wissen? Lediglich auf der imaginären Ebene können wir uns damit beschäftigen und versuchen, uns eine ungefähre Vorstellung vom Unbegreiflichen zu machen.

Wenn wir zu Lebzeiten mit dem Tod konfrontiert werden, dann ist es zumeist, weil wir einen nahestehenden Menschen verloren haben. Statistisch gesehen, erlebt ein Mensch alle 13 Jahre einen Sterbefall in der Familie oder im nahen Umfeld. Das bedeutet, dass wir uns nur alle 13 Jahre intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Der geliebte Mensch fehlt uns, wir vermissen ihn schmerzlich, wir bleiben ohne ihn in diesem Leben. Wir trauern und denken, nun wäre sie da, die Konfrontation mit dem Tod. Jedoch geht es beim Erleben eines Trauerfalles mehr um die Auseinandersetzung mit dem Verlust als um die mit dem Tod. Die Beschäftigung mit uns und der Frage „Was bedeutet das nun für mich?“ steht im Vordergrund.

Wie wäre es, wenn wir in Zeiten der Trauer versuchen würden, uns ein wenig mehr die Welt der Verstorbenen vorzustellen? Wie geht es dem verlorenen Menschen nun dort, wo auch immer er sein mag? Es besteht die Hoffnung, dass dort alles gut ist. Ohne körperlichen Schmerz, ohne Angst und ohne Leiden.

19.06.2019

Es regnet schon wieder

Bild: Adobe # 93824393 von Sabine Schönfeld

Kennen Sie Menschen, die ständig über das Wetter meckern? Solche, bei denen das Glas ausnahmslos halb leer ist und die es nach eigener Aussage im Leben einfach schwerer haben als andere?

Warum manche Leute sich fortwährend beschweren, während andere fröhlich und zufrieden sind, wurde bereits umfassend wissenschaftlich untersucht. Als Ergebnis dieser Untersuchungen bezeichneten die Forscher die Zufriedenheit als „kognitives Wohlbefinden“. Kognitiv bedeutet: das Wahrnehmen, Denken und Erkennen betreffend. Das heißt, alle unsere Gedanken und Einstellungen – vor allem die Bewertungen unserer Erlebnisse – fließen mit ein, wenn das Gefühl von Zufriedenheit oder Unzufriedenheit entsteht.

Ob jemand zufrieden ist, ist demzufolge weniger abhängig von Lebenssituation, Herkunft, Alter oder Einkommen. Es ist vielmehr eine Frage der persönlichen Einstellung und der Bewertung des eigenen Lebens. Wie das Wort schon sagt, bedeutet es, „in Frieden“ zu sein. Dieser gefühlte innere Frieden ist beständiger und nachhaltiger als das Glück, was für viele Menschen das vermeintlich größere Ziel zu sein scheint. Das Glück bezeichnen die Wissenschaftler jedoch lediglich als einen vorübergehenden und rauschhaften Zustand.

„Ein angenehmes und heiteres Leben kommt nie von äußeren Dingen, sondern der Mensch bringt aus seinem Inneren, wie aus einer Quelle, Zufriedenheit in sein Leben.“ (Plutarch)

Soll es morgen wieder regnen? Das ist gut für die Natur!

16.05.2019

Denkanstoß – das Rätsel um die Seele

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Was ist die Seele?

Man sagt, die Augen seien der Spiegel der Seele, wir sprechen von einer „guten Seele“, wenn wir einen lieben Menschen beschreiben, sind „ein Herz und eine Seele“, wenn wir uns gut verstehen, fühlen uns seelenverwandt oder sind beseelt. Wir können „die Seele baumeln lassen“, finden unseren „Seelenfrieden“ oder haben „unsere Seele verkauft“. Und obwohl wir den Begriff so selbstverständlich verwenden, wurde wissenschaftlich nie bewiesen, ob es die Seele überhaupt gibt oder was genau damit gemeint ist.

Jedoch hat der Glaube daran, dass wir tief in unserem Inneren eine unsterbliche Essenz haben, die Menschen über die Jahrhunderte hinweg geprägt. In allen fünf Weltreligionen geht man davon aus, dass sich die Seele nach dem Tod vom Körper trennt, weiter existiert oder in einer anderen Gestalt wiedergeboren wird. Daher gibt es den althergebrachten Brauch, das Fenster zu öffnen, wenn ein Mensch verstorben ist, damit die Seele hinausfliegen kann.

Menschen, die eine sogenannte Nahtoderfahrung hatten, berichten übereinstimmend von ihrem Eindruck, über dem physischen Körper geschwebt und die Ereignisse von oben betrachtet zu haben. Danach, so sagen sie, fühlten sie sich hineingezogen in einen Tunnel, an dessen Ende ein helles Licht leuchtete.

Wissenschaftler erforschen heutzutage die Zusammenhänge zwischen physikalischen Gesetzmäßigkeiten und der Existenz eines unsterblichen Bewusstseins, das als Seele bezeichnet werden könnte. Genauso wie Materie, Energie, Raum und Zeit könnte es zu den Grundelementen der Welt gehören. Es geht nach wie vor um die Frage, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, und das Rätsel um die Seele ist noch lange nicht gelöst.

18.04.2019

Warum eigentlich carpe diem?

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„Nutze den Tag“ – so wird „carpe diem“ im Allgemeinen interpretiert. Dabei bedeutet der Ausspruch des römischen Dichters Horaz wörtlich übersetzt „Pflücke den Tag“.

Und mit dieser Formulierung regt sich weniger Widerstand. Denn warum sollte man jeden Tag nutzen? Wofür? Und wer sagt uns, wann ein Tag genutzt ist, wer könnte das beurteilen? In unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren ein Drang zur Optimierung verbreitet. Alles soll bestmöglich verlaufen. Das fängt bei den guten Noten in der Schule an, geht weiter bei der Berufswahl, dann die perfekte Partnerwahl, eine erfolgreiche Karriere, traumhafte Urlaube, gesunde Babys, die zu hochbegabten Kindern heranwachsen, und dergleichen mehr.

Hohe Erwartungen an ein erfülltes Leben entstehen erst mit einem gewissen Maß an Wohlstand. Denn wären wir damit beschäftigt, unser Überleben zu sichern, dann wären Fragen nach der optimalen Berufs- oder Partnerwahl sicherlich zweitrangig. So weit, so gut. Für den Wohlstand in unserer Gesellschaft können wir sehr dankbar sein. Aber was ist das für eine seltsame Entwicklung, die uns auferlegt, aus den uns zur Verfügung stehenden Lebensjahren stets das Beste herausholen zu müssen?

Es ist ein Auf und Ab im Leben und manchmal läuft es auch nicht gut. Das zu akzeptieren, ist wichtig. Es gibt nicht nur gute Tage im Leben, sondern auch schlechte. Es gibt begabte Kinder und weniger begabte. Bei der Partnerwahl kann es auch mal danebengehen. Die Zeiten, in denen wir in jungen Jahren einen Beruf wählten und diesen das gesamte Leben lang ausübten, sind ebenfalls vorbei. Und es sollte uns erlaubt sein, Schwäche oder auch ein vermeintliches Scheitern einzugestehen.

„Pflücke den Tag“ – das hat Horaz mit carpe diem gemeint. Er schrieb seine Ode „An Leukonoë“ im Jahre 23 v. Chr.. In seinem Gedicht appelliert er daran, die Gegebenheiten des eigenen Lebens zu akzeptieren, wie auch immer sie sein mögen. Horaz regt die Menschen dazu an, ihre Zeit leicht und genussvoll zu verbringen, in einem hedonistischen Sinne. Dabei geht es nicht um einen perfekt genutzten Tag, sondern vielmehr darum, Freude im Leben zu haben. Egal, was kommen mag und wie viele Tage noch kommen mögen.

15.03.2019

Geh rückwärts!

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Neulich am Flughafen. Szenen ungeahnter Wichtigkeit spielen sich ab. Menschen, die mit ernster Miene eiligen Schrittes von A nach B hetzen, ohne auch nur den Kopf zu heben. Der Blick richtet sich gebannt auf das Smartphone in ihren Händen. Niemand geht langsam, alle sind mit größter Geschwindigkeit unterwegs. Nicht nur die, die ihren Flug bekommen müssen, sondern auch die, die gerade erst gelandet sind. Weiter, immer weiter, schneller. Es scheint, als wäre das Gros der Menschheit in einer höchst bedeutsamen Mission unterwegs, als käme es auf jede Sekunde an, als wären alle in ihrem Tun unabkömmlich.

Neulich auf dem Friedhof. Langsam, sehr langsam geht die Trauergesellschaft hinter dem Sarg her. Auf diesem Weg entlang der beruhigend großen Bäume ist jeder Schritt bedeutsam, in liebevollem Gedenken an den Verstorbenen. Ruhig, ganz ruhig sind die Menschen. Die Vögel zwitschern vorsichtig, als wollten sie sagen, dass alles wieder gut wird, irgendwann. Wie absolut unpassend wäre es, schnell zu gehen, den Sarg zu überholen, um als Erster am Grab zu sein. Die Atmosphäre ist voller Bewusstheit, im Einklang miteinander, mitfühlend und im gegenwärtigen Moment.

Was wir im Trauerfall ganz natürlich tun, sollte auch in unserem alltäglichen Leben des Öfteren Raum finden. Das Tempo herauszunehmen, innere Ruhe zu finden und sich des Seins bewusst zu werden, verschafft unserer Seele Raum und gibt uns Halt. Wenn wir jedoch versuchen, gegen die Zeit zu laufen, so ist das kräftezehrend. Denken wir an den guten Rat der Schildkröte Kassiopeia in dem Roman Momo. Als Momo in der Niemals-Gasse beinahe an dem starken Gegenwind des Zeit-Sogs scheiterte, erschien auf dem Panzer der Schildkröte der Hinweis „Geh rückwärts!“ Als sie es versuchte, war der Wind verschwunden, der Widerstand löste sich auf und sie konnte leichten Schrittes weitergehen.

15.02.2019

Vom Werden und vom Sterben

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Die Geburt wird oft als Wunder bezeichnet. Wie hat die Natur das nur eingerichtet? Aus der befruchteten Eizelle entsteht ein Embryo, wächst langsam im Mutterleib heran und schließlich wird ein neues Lebewesen in diese Welt hineingeboren.

Genauso wie die Entstehung des Lebens ein wundersamer Vorgang ist, der langsam und schrittweise passiert, genauso könnte es auch beim vermeintlichen Ende unseres Seins zugehen. Das Werden und das Sterben sind vielleicht in ähnlicher Form Prozesse, die wir mit unserem menschlichen Verstand nicht erfassen können.

Joseph Hyrtl (1810–1894) war ein berühmter Professor der Anatomie und lebte in Wien. Durch seine wissenschaftlichen Arbeiten und seine überaus geistreichen und unterhaltsamen Vortragskünste wurde er weltbekannt. Die Analogie zwischen der embryonalen Entwicklung und dem Sterben und der damit verbundenen Vermutung, was über den Tod hinaus geschehen könnte, wurde von ihm wie folgt dargelegt:

„Der Embryo im Mutterleib müsste, sofern er Selbstbewusstsein hätte und im Voraus wüsste, was beim Vorgang der Geburt mit ihm geschehen wird, diesen Vorgang zweifellos für seine absolute Vernichtung halten: Die ihn umschließenden Hüllen zerreißen, das Fruchtwasser – sein Lebenselement – fließt fort: Die Nabelschnur, die ihn ernährt, wird zertrennt […]. Ja, stünde der Embryo auf dem Boden der Tatsachen, kein Zweifel, ein Überleben der Geburt müsste für ihn indiskutabel sein. Aber er weiß nicht, dass in ihm andere Organe für ein Leben in einer anderen Welt bereits vorsorglich angelegt sind: Lungen, um Luft zu atmen. Augen, um den Kosmos der Farben und Formen zu schauen, und mehr noch: Diese anscheinend hoffnungslose Vernichtung, der Geburtsakt, ist in Wahrheit der Weg ins eigentliche Leben. Insofern haben wir kein Recht, den Tod, der uns ebenfalls alles Leben zu rauben scheint, aus der lediglich irdisch-biologischen Perspektive zu beurteilen. Wir irren dann, wie gedachter Embryo, im Hinblick auf die Geburt irren würde.“

Ganz gleich, an was wir glauben – welcher Religion wir angehören oder was unsere Überzeugungen hinsichtlich unserer Existenz sind – diese Analogie ist sehr bedenkenswert.

16.01.2019

Wertschätzung und Verständnis

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Haben Sie gute Vorsätze für das neue Jahr? Jetzt nur kein schlechtes Gewissen! Es gibt schließlich Wichtigeres, als Sport zu treiben oder mehr Gemüse zu essen. Wie sieht es zum Beispiel mit Ihren Überzeugungen und Werten aus? Darüber lässt sich zu Anfang eines noch jungen Jahres hervorragend nachdenken.

Wir Menschen sind soziale Wesen, die Gemeinschaft brauchen. Niemand von uns wäre ganz allein überlebensfähig. Das ist der Grund dafür, warum wir uns in zwischenmenschliche Beziehungen begeben. Für Beziehungen gibt es zwei wichtige Komponenten, die das Miteinander erheblich erleichtern. Sie heißen Wertschätzung und Verständnis.

Wenn wir den anderen Menschen wertschätzen, ihn in seiner Eigenart respektieren und ihm mit Zugewandtheit, Interesse und Wohlwollen begegnen, dann ist das ein wichtiger Schritt. Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass jeder anders ist. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, der bringt seinen Mitmenschen häufig eine größere Wertschätzung entgegen. Personen mit einem geringen Selbstvertrauen hingegen fällt es oft schwer, das Wesen von anderen positiv zu beurteilen.

Die Voraussetzung für Verständnis ist, sich in sein Gegenüber hineinfühlen zu können und empathisch zu sein. Es kann spannend sein, in die Welt des anderen einzutauchen. Wie „tickt“ derjenige und warum ist er so, wie er ist? Dazu gehört die Lebensgeschichte, wie jemand sozialisiert wurde und was ihn geprägt hat. Wenn wir uns gegenseitig verstehen lernen, können sich daraus Freundschaft und Liebe entwickeln. Dann sagen wir „das kann ich gut verstehen“ oder „wir verstehen uns gut“.

Bei der Trauerbewältigung sind Wertschätzung und Verständnis ebenfalls wichtige Begleiter. Wir bringen die Wertschätzung für den Verstorbenen bei der liebevollen Gestaltung der Trauerfeier zum Ausdruck. Wenn wir von unseren Mitmenschen Verständnis für unsere Trauer bekommen, dann ist das eine große Quelle des Trostes.

12.12.2018

Überhaupt nicht Last Minute

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Es kommt so plötzlich, wie immer. Weihnachten steht vor der Tür. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und Geschenke wollen besorgt werden. Aber was tun, wenn man einfach nicht genügend Geschenkideen für seine Lieben parat hat? Gar kein Problem. Seien Sie ganz unbesorgt.

Sie müssen nicht in Hektik verfallen und brauchen keinen Stress aufkommen zu lassen. Es ist nicht notwendig, sich mit schweren Tüten abzuschleppen oder lustlos und mit schlechtem Gewissen noch schnell etwas in den Warenkorb eines Onlineshops zu packen.

Entspannung ist angesagt. Denn das schönste Geschenk haben Sie bereits bei sich.

Es ist sogar schon sorgfältig eingepackt, liebevoll mit einer Schleife versehen. Dann noch ein nettes Lächeln dazu und schon können Sie Ihr Geschenk überreichen. DIE ZEIT.

Die Zeit haben wir immer bei uns, zu unserer vollen Verfügung. Wir können selbst entscheiden, was wir mit ihr machen. Wem geben wir unsere Zeit? Vielleicht lassen wir uns von den Mitarbeitern der Zeit-Spar-Kasse die Zeit stehlen. Das sind die berüchtigten „grauen Herren“, so wie Michael Ende sie in seinem Roman „Momo“ beschrieben hat. Sie tragen bleigraue Aktentaschen und rauchen kleine, aschfarbene Zigarren. Die Zigarren sind aus den Blüten der Stunden-Blumen gemacht, die sie den Menschen entreißen. Es ist eiskalt in der Nähe der grauen Herren.

Oder geben wir unsere Zeit der Familie, den Kindern und den Freunden? Miteinander reden und lachen, gemeinsam Dinge erleben und neue Aktivitäten ausprobieren. Singen, tanzen, spielen, Spaß haben!

„Ich wünsche mir gemeinsame Zeit mit Dir.“ Was man in jungen Jahren genervt abtut, versteht man im Laufe des Lebens immer besser.

Viel Freude beim Verschenken Ihrer Zeit!

15.11.2018

Bildgewordene Erinnerungen

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Wann haben Sie zuletzt in einer Fotokiste gekramt? Das ist vermutlich lange her. Es ist bedauerlich, aber die digitale Fotografie braucht keine Schuhkartons mehr. Dabei wird geknipst wie nie zuvor, immer und überall machen wir Schnappschüsse mit unserem Handy. „Take a picture, take a picture!“ Wir laufen durch unser Leben wie asiatische Touristengruppen durch Rothenburg ob der Tauber.

Hinzu kommen die vielen Selbstporträts. Selfies belegen sozusagen die eigene Existenz. Und überall in den sozialen Medien findet eine Art Selbstinszenierung statt, die nur mit Bildern lebendig wird.

Aber was passiert mit diesen vielen Fotos? Wir schauen sie nur noch auf dem Bildschirm an, es gibt sie nicht mehr auf Papier. Einmal erstellt, fristen sie ihr Dasein im Speicher des Smartphones oder in der Cloud.

Hier sei ein sentimentales „Ach, damals!“ erlaubt. Denn damals war das irgendwie beschaulicher.

Da konnte man die Fotos noch anfassen. Unsortierte und vergilbte Fotografien mit Büttenrand, gefolgt von Polaroids aus der Sofortbildkamera in künstlichen Farben, alle in einem Karton. Abgegriffen, durcheinandergewürfelt, immer wieder angeschaut. Wenn auf der Rückseite kein Datum notiert war, ging das Rätselraten los. „Wann war das denn? Warte mal, Mama und Papa haben 1962 geheiratet, danach kam Stephan zur Welt ... das muss 1965 gewesen sein.“

Wenn ein lieber Mensch von uns gegangen ist, bekommen diese alten Fotografien eine noch höhere Wertigkeit. Sie halten den kostbaren Augenblick fest, den liebevollen Moment, die lustige Situation, in der wir gemeinsam gelacht haben.

Ein Foto ist eine zu einem Bild gewordene Erinnerung. Und Erinnerungen sollten nicht in der anonymen Masse der Megabytes untergehen.

Wann machen wir unsere nächste Fotokiste?

15.10.2018

Das Hörbuch für Hinterbliebene

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„Ich vermisse meine Mama so sehr. Vor allem ihre Stimme.“

So geht es vielen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Noch einmal die vertraute Stimme zu hören, das ist ein oft gehörter Wunsch von Trauernden. Die Stimme hat viel mit „Stimmung“ zu tun. Sie sagt eine Menge über die Persönlichkeit und über die Gefühlswelt des Menschen aus. Gerade deswegen fehlt die Stimme im Leben der Hinterbliebenen. Der geliebte Mensch mit all seinen Facetten, seinen Stimmungen, seiner Ausstrahlung ist nicht mehr da. Es fühlt sich an, als wäre die Stimme unwiederbringlich.

Diese Gedanken hatte auch die Journalistin Judith Grümmer aus Köln und entwickelte daraus ihre Dienstleistung und ein beeindruckendes Produkt. Sie bietet ihren Kunden die Produktion von individuellen Hörbüchern an.

In diesen Hörbüchern erzählen die Menschen aus ihrem Leben. Die eigene Biografie, Geschichten und Erlebnisse sowie Erfahrungen werden so für die Nachwelt bewahrt. Die Stimme des Menschen, die eigene Art des Erzählens und die unverwechselbare Persönlichkeit werden so unsterblich. Die Hörbücher sind dadurch in hohem Maße authentisch, glaubwürdig und persönlich.

„Alles, was Stimme hat, überlebt“, so Judith Grümmer, deren Arbeitsschwerpunkt vor allem in der Begleitung von Palliativpatienten liegt. Im Rahmen eines im März 2017 angelaufenen Forschungsprojektes der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn bietet sie insbesondere schwer erkrankten Müttern und Vätern an, mit ihr gemeinsam Familienhörbücher für ihre noch minderjährigen Kinder zu erarbeiten.

Die Patienten erzählen aus ihrem Leben, darüber, was ihnen wichtig ist und was sie weitergeben möchten. Es wird geplaudert, gelacht, geweint oder gesungen. Unter dem Motto „Was ich Euch noch sagen wollte“ entstehen so besonders emotionale und individuelle Erinnerungen.

Mehr Infos unter http://www.familienhoerbuch.de/

17.09.2018

Darf man das?

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Der Umgang mit den Themen Tod und Trauer unterliegt vielen Konventionen, die wir übernehmen und zu selten hinterfragen. Wir handeln dann entsprechend, weil es schon immer so gemacht wurde, weil die Verwandtschaft es so erwartet oder weil die Nachbarn sonst reden. Und gerade in Zeiten der Trauer treffen wir eher konservative Entscheidungen, denn wir möchten nichts falsch machen.

Aber stellen wir uns ruhig des Öfteren mal die Frage „Darf man das?“ Und vielleicht kommen wir zu dem Schluss, dass vieles möglich ist und sein darf.

Darf man bei einer Beerdigung lachen? Wir finden, dass alle Emotionen Raum finden sollten. Wenn wir eine Packung Taschentücher verweint haben, können wir im nächsten Moment lachen, weil wir uns an eine lustige Begebenheit aus dem Leben des Verstorbenen erinnert haben. Es ist ein Auf und Ab der Gefühle. Und alle Gefühle dürfen sein.

Wenn wir über Konventionen sprechen, dann gehören dazu auch ungewöhnliche Ideen für einen Abschied. Warum nicht am Grab bunte Luftballons aufsteigen lassen, gemeinsam ein schönes Lied anstimmen, ganz bewusst keine schwarze Kleidung tragen oder Fotos von fröhlichen gemeinsamen Erlebnissen am Sarg aufstellen?

Geht es nicht auch darum, das Leben des Verstorbenen voller schöner Erinnerungen zu feiern? Im nächsten Augenblick können wieder Tränen da sein und es bleibt Raum, den Tod zu beweinen.

Vergessen wir nicht: Ein Abschied kann ein Anfang sein. Ein Anfang einer wertvollen Erinnerung, die für immer bleibt.

24.05.2018

Gute Wünsche an die Lebenden

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Was wünschen wir uns, wenn wir uns vorstellen unser Leben wäre am Ende?

Wir möchten sicher sein, dass unsere Lieben und Angehörigen Trost und vor allem auch Zuversicht spüren. Niemand möchte mit dem Gefühl gehen, dass aus Tränen eine lebenslange Verzweiflung oder Ausweglosigkeit bei den Menschen entsteht, die einem besonders nahe stehen.

Und das ist es, wie wir Trost empfinden können. Wenn wir als Hinterbliebene ganz genau wissen, dass es der Wunsch des Verstorbenen gewesen wäre, uns nicht so traurig zu sehen.

Eine schöne Idee ist es, unsere Wünsche an die Lebenden schon heute zu formulieren.

Sie könnten lauten:
Lach wieder und sei fröhlich, auch ohne mich!
Sei stark und tapfer.
Hab keine Angst.
Gehe Deinen Weg mutig weiter.
Du schaffst das.
Gib niemals auf.
Verwirkliche Deine Träume.
Betrachte jeden Tag als Geschenk.
Verliebe Dich, liebe und genieße Dein Leben.
Denk dabei manchmal an mich. Ich bin bei Dir.

17.04.2018

Das Leben ist Veränderung

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Einatmen, aufatmen, durchatmen! Den Duft der ersten zarten Knospen und Blumen wahrnehmen. Frühlingsduft – und zwar endlich nicht mehr nur aus der Weichspüler-Flasche, sondern draußen in der Natur. Die Vögel begrüßen uns morgens mit fröhlichem Gezwitscher und die Sonne taucht die Welt in ein wärmeres Licht. Wie haben wir uns danach gesehnt!

Das, was der Frühling uns jedes Jahr bringt, ist Veränderung. Alles verändert sich, alles endet irgendwann, damit etwas Neues beginnt. Eine Tür schließt sich, eine andere Tür geht auf. Es ist nicht viel Schlimmes daran, dass eine Blume verwelkt. Warum eigentlich nicht? Weil eine neue Blume wächst. Niemand ist traurig darüber, dass jeden Abend ein Tag zu Ende geht. Denn es kommt ein neuer Tag.

Panta rhei − Alles fließt.

So formulierte Platon die sogenannte Flusslehre Heraklits. Die Flusslehre besagt, dass alles fließt und nichts bleibt. Es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln. So, wie das Wasser im Bach immer in Bewegung ist, so sind alle Lebewesen, Pflanzen und Dinge in der Welt immer in Veränderung. Nichts bleibt, wie es ist. Ein Leben vergeht und es kommt ein neues Leben. Wenn alles fließt, dann ist das ein tröstlicher und vor allem zuversichtlicher Gedanke.

23.03.2018

Wenn trauern eigentlich lieben heißt

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Warum tut es so weh, wenn wir trauern? Wir wären nicht traurig, wenn wir den verlorenen Menschen nicht geliebt hätten. Der Schmerz begründet sich auf dem Gefühl des Verlustes. Ein von uns geliebter Mensch ist plötzlich nicht mehr da. Wir können ihn nicht mehr sehen, nicht mehr mit ihm sprechen, ihn nicht mehr in den Arm nehmen. Wir können ihm unsere Liebe nicht mehr zeigen.

Das meinen wir jedenfalls zunächst. Erst später und rückblickend verstehen wir, dass wir die Liebe trotzdem noch spüren und auch versprühen können. Unseren verstorbenen Eltern können wir jederzeit liebevolle Gedanken schicken. Und so leben sie fort. In unseren Herzen sind sie bei uns – immer.

Durch das Gefühl der Trauer können wir so viel lernen. Wenn wir in Verbindung zu anderen Menschen gehen, dann entsteht Trost. Alle Menschen wollen glücklich sein. Jeder von uns sehnt sich nach Liebe und Verbundenheit. Wenn wir also trauern, dann kann es uns helfen, uns bewusst zu machen, dass wir mit diesem Gefühl nicht alleine sind. Viele Menschen haben geliebt und diesen Schmerz des Verlustes erlebt. Wenn wir uns mitfühlend anderen zuwenden, dann wird uns das bewusst. Durch die Verbindung zu anderen und das Verständnis für ihre Gefühle empfinden wir Zugehörigkeit. Wenn Menschen in Zeiten der Trauer auf uns zukommen und uns zeigen, dass sie unseren Schmerz verstehen, dann empfinden wir Trost.

Wenn trauern eigentlich lieben heißt und wenn die Liebe über den Tod hinaus bleibt, dann entsteht Sinnhaftigkeit.

22.02.2018

Mit Kindern über den Tod reden

Bild: Wiebke Jahns

„Wie passt Opa in die Urne? Und wann wacht Oma wieder auf?“

Wenn ein Familienmitglied stirbt, stellen Kinder manchmal Fragen, die einen Erwachsenen zum Schmunzeln oder aber zum Weinen und Verzweifeln bringen. Wie soll man einem Kind „für immer“ erklären, wenn es erst im Grundschulalter ein ausgereiftes Verständnis und Gespür für Zeit entwickelt?

Kinder fragen nur so viel, wie sie auch verstehen können

Eltern wollen ihre Kinder vor dem Negativen im Leben beschützen. Der Tod ist in seiner endgültigen und grausamen Art die Ausgeburt des Bösen – so scheint es. Und trotzdem brauchen Kinder Erklärungen, warum beispielsweise der Papa gestorben ist. Was hatte er für eine Krankheit? War es ein Unfall? Hat er sich selbst das Leben genommen? So schwer die Wahrheit im ersten Moment über die Lippen kommen mag, auch hier gilt die Regel: Ehrlich währt am längsten. Kinder spüren, wenn ihnen nicht die Wahrheit gesagt wird und z.B. von einem Unfall die Rede ist, obwohl der Mensch Suizid begangen hat. Auch wenn die Angehörigen das Kind durch eine (Not-)Lüge schützen wollen, ist es für dieses ein massiver Vertrauensbruch. In Unwissenheit malen sich die Kinder in ihrer Fantasie die tabuisierte Todesursache noch viel grausamer aus und geben sich ggf. selbst eine Teilschuld daran. Auch deshalb ist es wichtig, miteinander über alle Unsicherheiten, Fragen und die eigenen Gefühle zu sprechen. Kinder wollen wissen, was geschehen ist und wie es weitergeht. Seien Sie also ehrlich, aber überfordern Sie die Kinder nicht mit zu vielen Informationen und dem eigenen Kummer. Die jüngsten Familienmitglieder wissen meistens ganz genau, wie viel sie wissen möchten. Wenn die Informationen ausreichen, fragen sie nicht weiter oder beschäftigen sich mit anderen Dingen. Wichtig ist, die Kinder mit ihren Fragen ernst zu nehmen und auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Die meisten Missverständnisse und Konflikte entstehen, wenn die Eltern in einem tiefen Meer aus Trauer gefangen sind, aber ihre Kinder schon wieder lachen können. In einem Moment sind sie noch zu Tode betrübt, im nächsten schon wieder himmelhoch jauchzend. Sie können lachen und spielen: Dieses Verhalten ist bei Kindern nach einem Verlusterlebnis normal. In manchen Phasen trauern auch Kinder mit Leib und Seele. Ein gesagtes Wort, ein Gegenstand oder andere banale Dinge können der Auslöser sein. Im nächsten Moment wischen sie sich die Tränen aus dem Gesicht und widmen sich etwas anderem – und zwar in einem Tempo, das für Erwachsene emotional schwer nachvollziehbar ist. Vorwürfe à la „Du trauerst gar nicht richtig“ sind hier fehl am Platz.

Wenn in einer Familie ein Mensch stirbt, gerät das ganze System, so wie es vorher war, aus dem Gleichgewicht. Kinder trauern anders als Erwachsene und haben mitunter ein noch nicht ganz ausgereiftes Todesverständnis. Deshalb sollte man ihnen die Situation erklären. Wenn die Eltern dafür selbst nicht die Kraft aufbringen können, ist es ratsam, Familienangehörige und Freunde oder aber auch eine/n Trauerbegeleiter/in um Unterstützung zu bitten. Das Wichtigste ist, den Kontakt zueinander nicht zu verlieren und immer wieder miteinander zu sprechen und zu akzeptieren, wenn jeder auf seine individuelle Art und Weise trauert.

23.01.2018

Über den Tod sprechen und warum das wichtig ist

Bild: Wiebke Jahns

Wenn Menschen älter werden, beginnen sie vermehrt, über den Tod zu sprechen, und beginnen Sätze mit der Floskel: „Wenn ich dann irgendwann nicht mehr bin.“ Die Kinder und Urenkel tun diese Bemerkungen ab: „Ach, Oma. Noch ist es doch nicht so weit.“ Soweit wie möglich wird es vermieden, über das Unvermeidliche zu sprechen.

Früher haben Familien mit mehreren Generationen im selben Haus gewohnt und es war selbstverständlich, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Erst kümmern sich Eltern um ihre Kinder und später ist es dann umgekehrt. Die Themen Pflegebedürftigkeit, Krankheit und Alter sind nicht leicht anzusprechen, denn die Selbstbestimmung möchte niemand gerne aufgeben. Und doch geht es beim Thema Vorsorge mitunter auch um das „Was wäre, wenn?“.

  • Was wäre, wenn die Mutter im Koma liegt?
  • Was wäre, wenn der Vater in Folge einer Krankheit seine Arme und Beine nicht mehr bewegen kann?
  • Was wäre, wenn die Eltern an Demenz erkranken und irgendwann ihr Leben nicht mehr selbst bestreiten können?

Wer sich nicht frühzeitig um das Thema Betreuung kümmert und keine Vollmacht verfasst, bekommt im Fall der Fälle einen gesetzlichen Vormund bestellt, auch wenn es noch Kinder oder andere Verwandte gibt. Sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die Angehörigen, die nun jeglicher Entscheidungsgewalt entmachtet werden, ist dies eine schreckliche Vorstellung. Ein Argument mehr, mit der Familie oder engen Freunden über die „Was wäre, wenn?“-Fragen zu sprechen.

Was wäre, wenn ich morgen sterbe?

Patientenverfügung, Betreuungsvollmacht, Testament, Bestattungsvorsorge – nicht jeder Mensch benötigt alles. Am wichtigsten ist es, einfach einmal miteinander zu sprechen. Im Falle von medizinischer Versorgung: Was ist einem selbst wichtiger? Lebensdauer oder Lebensqualität? Im Falle des eigenen Todes: Wo möchte man bestattet werden? Gibt es bereits ein Grab? Wurde finanziell vorgesorgt? Die wichtigsten Erkenntnisse sollten in der jeweils rechtsgültigen Form festgehalten werden. Aber was nutzt ein ausgereifter Plan, wenn davon niemand weiß und die Unterlagen in dieser Situation nicht sofort auffindbar sind? Oma wollte nicht wiederbelebt werden? Zu spät.

Wenn der Vater schon zu Lebzeiten die Entscheidung getroffen hat, im Falle des Todes in einem Wald bestattet zu werden, entlastet das die trauernden Angehörigen, da sie nicht darüber nachgrübeln und streiten müssen, welche Bestattungsart in seinem Sinne gewesen wäre. Sie haben Zeit, Abschied zu nehmen und sich der Trauer zu widmen. Warum soll man eine pompöse Trauerfeier veranstalten, wenn das geheuchelt wäre? Warum sollte man es schlicht und einfach halten, wenn der Verstorbene gerne große Feste feierte und so noch einmal alle zusammenkommen können?

Würde bedeutet, im Sinne des Verstorbenen zu handeln

In meinem Heimatort gab es einen Taubenzüchter, der keine Familie hatte. Seine Vereinskollegen und die Tauben waren alles, was ihm blieb. Als er schwer erkrankte, war bereits geklärt, wer sich um die Tiere kümmert und diese auch im Fall der Fälle weiter versorgt. Und er sprach zu seinen Freunden, er wünsche sich nichts, außer dass sie nach seiner Beisetzung auf ihn trinken sollen. Als er gestorben war, haben sich alle Vereinskollegen zusammengefunden und ihm in der Kneipe die letzte Ehre erwiesen, so, wie er es sich gewünscht hat.

Wenn nicht darüber gesprochen wurde, neigen Menschen in der Unwissenheit dazu, Entscheidungen zu treffen, weil sie diese für sich selbst für richtig halten würden. So streiten die Kinder darüber, ob die Urne des Vaters im Meer, auf dem Friedhof oder an einem Baum beigesetzt werden soll und vergessen dabei gänzlich, was er sich selbst gewünscht hätte. Natürlich ist eine Trauerfeier größtenteils für die Angehörigen da. Wenn man weiß, was der Verstorbene sich wünschte, ist es ein Stückchen leichter, den Tod anzunehmen und trauern zu können.